Life Engineering by Hubert Österle

Life Engineering by Hubert Österle

Autor:Hubert Österle
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783658283353
Herausgeber: Springer Fachmedien Wiesbaden


5.1.3 Informationssucht

Nicht nur Forscher und Softwareentwickler, alle Menschen arbeiten ständig an der Weiterentwicklung ihres Modells der Welt, d. h. sie versuchen ihre Umgebung zu verstehen, um effizienter auf die Herausforderungen des Lebens reagieren zu können. Das ist in der einfachsten Form wohl die Beschäftigung mit Klatsch, in handwerklichen Tätigkeiten die Suche nach dem besten Werkzeug, z. B. zur Reinigung der Fenster, die Delegation administrativer Tätigkeiten an Maschinen und schließlich auch die Erkennung von Zusammenhängen in der Grundlagenforschung.

Auch für die Wissbegierde gilt: Wir konsumieren den ganzen Tag Informationen, in der Zeitung, im Fernsehen, auf Instagram oder Facebook, in Gesprächen und im Geschäft. Sind wir krankhaft neugierig, sind wir also süchtig nach Informationen jeder Art, unabhängig vom Nutzen des zusätzlichen Wissens (z. B. Klatsch)? Möglicherweise verlieren wir damit die Fähigkeit, das Wichtige zu selektieren und das Aufgenommene zu verarbeiten.

Die Informationstechnik liefert uns ein Informations- und Kommunikationsangebot, auf das wir nicht vorbereitet sind. Wir haben Zugriff auf eine nie dagewesene Wissensbasis, lassen uns aber mehr vom Angebot treiben, als zu überlegen, was wir warum wissen wollen. Wir konsumieren lieber leicht verdauliche, stark vereinfachte und bildlich vorgetragene Informationshäppchen, als dass wir uns zu einem komplexen Thema wie beispielsweise der Wahl der richtigen Volksvertreter oder der Berufswahl intensiv Gedanken machen. Die professionelle Kommunikation nutzt alle Mittel zur Gewinnung von Aufmerksamkeit, beachtet in der Länge der Botschaften die reduzierte Aufmerksamkeitsspanne und ersetzt Texte durch Bilder und Videos. Die permanente Berieselung mit Nachrichten nimmt uns oft die Zeit, die wir zur Bildung einer eigenen Meinung, zu einem Verständnis der Zusammenhänge bräuchten. Fotos von Personengruppen, in denen jeder über sein Smartphone statt mit den physisch anwesenden Personen kommuniziert, zeigen nicht nur mehr Jugendliche, sondern zunehmend auch Senioren.

Die Möglichkeiten der digitalen Information haben geradezu ein Suchtverhalten evoziert.

Das akustische Signal einer eingehenden Nachricht erzeugt beim Konsumenten eine im Gehirn messbare „Belohnung“ [5] und verstärkt die Ausschüttung von Dopamin, das die Gier nach Nachrichten verursacht. Soziale Netzwerke wie Twitter wirken so stark, weil sie laufend Nachrichten liefern, die Kürze der Nachricht vieles offen lässt und Absender wie Inhalt überraschend sind [6]. Wir folgen Informationsströmen, ohne uns von einem Bedarf nach einer bestimmten Information leiten zu lassen, und blockieren unsere Kognition damit für das Nachdenken und Ableiten von Schlüssen. Das gilt besonders für das Formulieren unserer für die Lebensqualität bestimmenden Ziele und für die eigene Standortbestimmung. Adam Alter beschreibt die Berieselung in seinem Buch „Irresistible“ [7] als Suchtverhalten und berichtet über zahlreiche Ansätze zu deren Bekämpfung.

Digitale Medien missbrauchen unser Belohnungssystem zur Gewinnung von Aufmerksamkeit. Sie tragen einen Kampf um die Aufmerksamkeit der Adressaten aus und messen die Intensität und Dauer der Aufmerksamkeit wie eine Währung.



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